„Kannst du denn davon leben?“

Eine unmögliche Frage und andere Netzwerk-Red-Flags + Adidas-Kampagne empört Israel + Fake-Swifties auf Bumble + Katy Perrys peinlicher Comeback-Versuch

Herzlich willkommen bei Sunday Delight! Ich bin Julia Hackober, Journalistin in Berlin, und in diesem Newsletter lassen wir die Woche gemeinsam ausklingen. Heute mit diesen Themen:

  • Kolumne: “Kannst du denn davon leben?” – Eine unmögliche Frage und andere Netzwerk-Red-Flags

  • Smalltalk-Repertoire: Eine peinliche Adidas-Kampagne sorgt für Entsetzen in Israel, die italienische Wettbewerbsbehörde ermittelt gegen Dior und Armani – und auf Bumble treiben sich Fake-Swifties rum

  • Binge-Alarm: Katy Perrys Comeback-Debakel und Schicksalsjahre einer Kaiser…äh, Kanzlerin

    Viel Spaß beim Lesen!  

Brief von Julia

Diese Woche war ich bei einem sehr glamourösen Netzwerk-Event eingeladen. Mit Paparazzi, die sich für mich natürlich nicht interessierten, einem Pink Carpet und einer höchst instagrammable geschmückten Dachterrasse feierte die Berliner Polit-und Medienbubble “Female Empowerment”, was man sich in etwa so vorstellen muss, dass beim Champagner-Cheers für einen Moment wirklich alle daran glauben, dass Frauensolidarität doch mehr ist als ein viel zu oft verwendetes Buzzword auf Linkedin.

Rose McGowan sprach über #Metoo in Hollywood und Nazan Eckes über das Leben als Frau mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Kurz ging das Gerücht um, dass Angela Merkel noch sprechen würde, aber die ließ sich denn doch nicht blicken (vielleicht beim nächsten Mal – Doro Bär und Julia Klöckner, könnt Ihr das nicht organisieren?)

Es war ein schönes Event, und mein Kleinstadt-Herz hatte sehr viel Spaß daran, dass ich mich für dieses Event in die Rolle der durchgestylten Netzwerkerin begeben konnte. An dieser Stelle: vielen Dank an Janina und Fee für die Initiative und das Engagement hinter Frauen100!

Aber natürlich wäre ich nicht ich, wenn ich an diesem spritzigen Sommerabend nicht doch noch was gefunden hätte, über das ich aufregen könnte. Es geht um eine Situation, die ich immer wieder erlebe, seit ich mich selbstständig gemacht habe vor zwei Jahren – nämlich das pure Entsetzen in den Augen des Gegenübers zu erkennen, wenn ich mich als freie Journalistin vorstelle. Meistens kann ich mich in diesen Momenten dann schon für die Frage “kannst du denn davon leben?” wappnen und für den Kommentar “Also, ich könnte das nicht, wäre mir viel zu unsicher!”

Ich mag die Kommentare nicht, weil sie 1) unterstellen, Journalismus gerade für Frauen nur ein “Hobby-Job” ist und man eigentlich von anderen Einnahmequellen lebt (Vermögen/Daddy/Ehemann); sie 2) suggerieren, dass man vom Journalismus nicht leben KANN, und je öfter diese Annahme wiederholt wird, desto schwieriger wird es, an den teils ja wirklich miesen Arbeitsbedingungen in der Branche was zu ändern; und 3) bin ich vielleicht etwas altmodisch, aber seit wann fragt man fremde Menschen beim Kennenlernen nach ihrer wirtschaftlichen Situation aus?!

Eine Weile lang habe ich in solchen Momenten noch versucht, mich zu erklären, mein Geschäftsmodell auseinanderzusetzen, was von “Mischkalkulation” gefaselt und davon, dass ich inzwischen ja auch mit dem Newsletter Geld verdiene (ich wäre keine gute Unternehmerin, wenn ich Euch an dieser Stelle nicht auf mein VIP Angebot hinweisen würde – wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr mich und meine Arbeit mit einem Abo unterstützen).

Aber ganz ehrlich: Ich habe keine Lust mehr, mich zu erklären, erst recht nicht vor fremden Menschen, die ich vor zwei Minuten kennengelernt habe. Deshalb antworte ich inzwischen meist nur noch: “Ja, ich bin sehr zufrieden mit der Selbstständigkeit, aber das ist natürlich nicht für jeden was, man muss eben sehr beweglich sein.” (Den Satz hat mir ein 98-jähriger Bekannter aus meiner Heimat Bad Mergentheim zurechtgelegt, danke, Helmut!)

Gut, meistens ist das Gespräch dann recht schnell beendet, aber damit muss man auch leben können – ich finde überhaupt, dass zum Netzwerken auch die Entscheidung gehört, mit wem man NICHT auf Teufel komm raus auf einem Instagram-Selfie auftauchen will.

Das ist jetzt nur ein Beispiel aus meiner Berufswelt, es folgt eine Liste der Netzwerk-Red-Flags, die ich auch mit Eurem Instagram-Input zusammengestellt habe (wer statt eines Rants eher Tipps zum Netzwerken sucht: im Newsletter meiner guten Bekannten Janine Dudenhöffer, ihr kennt sie vielleicht von Instagram als The Sustainable Stylist, findet Ihr konstruktive Tricks)

  1. Über das Event lästern, auf dem man sich gerade befindet

  2. Während des Gesprächs schon die Crowd nach “spannenderen” Gesprächspartner:innen abscannen – ist es zu viel verlangt, sich zwei bis drei Minuten nur auf das Gegenüber zu konzentrieren?!

  3. Desinteresse an Menschen, die (noch) keine “wichtige” Position oder viel Reichweite mitbringen – man weiß nie, wann, wo und wie man sich noch mal wiedertrifft

  4. Gatekeeping im Sinne von: Leute werden nicht vorgestellt oder ins Gruppengespräch integriert, weil man diese Kontakte “für sich” behalten will

  5. Schon das Selfie für Insta/Linkedin machen, bevor man überhaupt gefragt hat, wie’s gerade so läuft

  6. Ungefragte Karriere-Ratschläge loswerden (“und Festanstellung wäre nicht wieder was für dich?”)

  7. Versprechungen machen, die man nicht plant, einzuhalten (“lass uns unbedingt bald zum Lunch treffen!” sich und dann nie mehr melden)

Welche Netzwerk-Red-Flags fallen Euch noch ein? Meldet Euch gern bei mir mit Euren schlimmsten/schönsten Netzwerk-Erfahrungen – ich teile die gern (anonym) über Social Media, Ihr wisst schon: sharing is caring 🙂 

Smalltalk-Repertoire

Alle schon im Sommerurlaub bei Adidas - oder wie konnte das passieren? Mit Model Bella Hadid wollte die Sportmarke die Neuauflage des Sneakermodells “SL 72” bewerben, das einst zu den Olympischen Spielen 1972 in München lanciert wurde.
Wir erinnern uns: die Spiele, bei denen israelische Sportler von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Die Veröffentlichung der Werbebilder löste einen Shitstorm aus, ausnahmsweise zurecht, schließlich verleiten Hadids palästinensische Wurzeln die 27-Jährige regelmäßig dazu, über Social Media seltsame “News” über den Krieg in Gaza zu verbreiten, ihr wurde bereits mehrfach Antisemitismus vorgeworfen. Israel beschwerte sich auf dem offiziellen X-Account über die Kampagne.
Nun wurde sie schnellstens aus der Werbekampagne entfernt. Es bleibt die Frage: Wie konnte das passieren?! Marlene Knobloch erklärt das ganze Ausmaß an Adidas-Peinlichkeiten in der “SZ”.

Produktion für 50 Euro, im Luxusladen verkauft für 2600 Euro: Die italienische Wettbewerbsbehörde ermittelt gegen Dior und Armani. Beide Marken haben mutmaßlich Luxusmode in chinesischen Produktionsstätten herstellen lassen, die Arbeiter:innen ausbeuten. Das steht natürlich im krassen Kontrast zu den angeblich hohen Produktionsstandards, mit denen die Unternehmen ihre horrenden Preise rechtfertigen. Mehr über den Fall erfahrt Ihr hier und hier.

Swift-Fishing” auf Dating-Apps: Was ist das jetzt schon wieder? Ich klär mal auf: Auf Dating-Apps geben sich seit dem Start der Eras-Tour ungewöhnlich viele Leute als Taylor-Swift-Fans aus, um romantisch veranlagte Swifties rumzukriegen.
So erklärt Bumbles hauseigene Beziehungsexpertin Dr. Caroline West: Personen täuschen ihr Interesse nur vor, um Fans anzuziehen, oft ohne echte Wertschätzung für Taylors Musik oder ihre Fans. Das mag harmlos erscheinen, verhindert aber authentische Connections, die auf Ehrlichkeit basieren.”
Also Obacht beim ersten Date: Lieber direkt mit ein paar Hardcore-Fan-Fragen “The Alchemy” testen und im Zweifel einen “Cruel Summer” verhindern. (Gilt natürlich auch für andere Dating-Fragen, bei denen man lieber einmal zu oft nachhaken sollte, sowas wie: Bist du WIRKLICH über deine*n Ex hinweg?)

Binge-Alarm: Was Ihr diese Woche lesen, sehen, hören könnt

🎶 Der peinlichste Song des Jahres? Katy Perry erntet mit ihrem Comeback-Song “Woman’s World” aktuell grottige Kritiken. Wegen des Sounds (“stuck in 2016”, The Cut), der unangenehm sexualisierten Dance-Inszenierung im Video und den möchtegern-feministischen Lyrics (“it’s a woman’s world and you’re lucky to be living in it"). Aber auch, weil Perry den Song zusammen mit Dr. Luke produziert hat – das ist der Typ, den Sängerin Kesha wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung einst verklagte. Perry verteidigte ihren Song, indem sie ihn zu Satire erklärte (“you can do anything! even satire!”). Aaaahja…

📺 Schicksalsjahre einer Kaiser…, äh Kanzlerin: Zu Angela Merkels 70. Geburtstag widmet die ARD Deutschlands erster Kanzlerin eine mehrteilige Dokureihe. Differenzierter Blick auf Leben und Wirken Merkels. Bei manchen Szenen denkt man sich: schon krass, was sie geleistet hat – bei anderen: Wie konnte sie nur?!

🎧 Erwachsen werden im Osten: In der neuen Podcast-Reihe “OKF” (Ortskontrollfahrt) unterhalten sich SPD-Influencerin Lilly Blaudszun und Klima-Aktivist Jakob Springfeld mit ihren Gästen über deren Heimatorte und übers “Ossi-sein” im Jahr 2024. Sehr junges, aber cooles Format, bei dem man beim Hören gefühlt mit nach Gera oder Fürstenwalde reist.

📣 SUNDAY DELIGHT Shoutout

Mit Avélina de Ment und Rosanna Bandomer habe ich vor ein paar Jahren bei WELT zusammengearbeitet, kürzlich habe ich die beiden bei einem Netzwerk-Event wiedergetroffen (so viel zum Thema 🙃 ). Inzwischen haben die beiden ein Start-up für gut verträgliches Gleitgel gegründet. LubeLab ist, so Avélina und Rosanna, “vegan, ultra sensitiv, optimal auf vaginale Gesundheit abgestimmt ist und fördert das natürliche Mikrobiom”. Auf dem Instagram-Kanal des jungen Unternehmens erfahrt Ihr mehr über Pleasure-Themen, Intimgesundheit und natürlich über LubeLab. Noch bis zum 28. Juli läuft eine Crowdfunding-Kampagne, die die erste größere Produktion finanzieren soll – wer supporten möchte:

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