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Was Ihr wissen solltet, bevor Ihr Euch für einen Marathon anmeldet... 🏃♀️
Das große SUNDAY DELIGHT Sport-Spezial: Laufcoach Steffi Platt erklärt im Interview, warum zyklusgerechtes Training so wichtig ist + Sechs Links für alle, die schon länger "mal wieder Sport machen" wollten + Fair-Fashion-Expertin Janine Dudenhöffers Empfehlungen für nachhaltige Active Wear
Liebe Leser:innen,
vielleicht liegt’s am durchgekränkelten Oktober, dass ich mich aktuell viel mehr als sonst mit dem Thema Gesundheit beschäftige. Jedenfalls gibt’s hier heute eine Spezial-Ausgabe rund ums Thema Sport und Gesundheit –nächste Woche geht es bei SUNDAY DELIGHT wie gewohnt mit den imho spannendsten, skurrilsten und witzigsten Zeitgeist-Themen aus Kultur, Stil und Society weiter. Also diesen Newsletter bitte nicht gleich ab-abonnieren, wenn Ihr den Binge-Alarm vermisst 🙂
Jetzt aber erst mal viel Spaß mit dieser Ausgabe!
“Ich war 30 Jahre alt und wusste nichts über meine Menstruation”: Nach einem Ermüdungsbruch setzte sich Laufcoach Stephanie Platt erstmals ernsthaft mit ihrem Zyklus auseinander; heute ist sie Coach und Aktivistin für zyklusgerechtes Training und erklärt im Interview, warum sportlicher Ehrgeiz nichts mit krampfhaftem Durchhalten zu tun hat
Sechs Links für alle, die schon länger "mal wieder Sport machen" wollten
Konsumopfer-Wishlist: Nachhaltige Leggings-Empfehlungen von Fair-Fashion-Expertin Janine Dudenhöffer
Viel Spaß beim Lesen!
“Erst den Zyklus verstehen, dann die Leistung steigern”: Interview mit Laufcoach Steffi Platt
Foto: Stephanie Platt
Stellt Euch vor, Ihr wart mal Leistungssportlerin. Mittelstreckenläuferin. Ihr seid hartes Training gewöhnt, könnt ordentlich was wegstecken. Doch dann macht Euer Körper ausgerechnet in dem Moment schlapp, in dem Ihr Eure aktive Karriere als Profiathletin beendet habt…
Genau das ist Steffi Platt passiert. 2019 erlebte die Mittelstreckenläuferin einen schweren Ermüdungsbruch, den sie sich nicht erklären konnte. Nach mühsamer Ursachenforschung stellt sich heraus: Ihre Knochendichte hat wohl durch Überbelastung und Mangelernährung gelitten, alles deutet auf ein Krankheitsbild hin, das vor allem weibliche Sportlerinnen betrifft und female athlete triad oder RED-S genannt wird. Verkürzt gesagt geht es dabei um eine Mischung aus Übertraining, unzureichender Nahrungszufuhr und hormonellen Störungen bis hin zum Verlust der Menstruation. Das kann zu Knochenschwund und sogar Osteoporose führen und Stressfrakturen bedingen.
“Für mich ein Schock, ich hatte keine Unregelmäßigkeiten bei meiner Periode feststellen können – normalerweise ein Warnsignal”, sagt Steffi heute. Warum also hatte ihr Körper plötzlich schlapp gemacht – und wieso hatte sie die Anzeichen nicht gesehen? Anstatt einfach abzuwarten, bis ihre Verletzung verheilte, wie Ärzte ihr rieten, machte sich Steffi selbst auf Spurensuche. Wollte verstehen, wie ihr Zyklus und ihre Hormone funktionierten. “Ich stellte schnell fest: Ich war 30 Jahre alt und wusste praktisch nichts über meinen Menstruationszyklus. Hatte ja immer funktioniert.”
Fünf Jahre später ist Steffi so tief in die Materie vorgedrungen, dass sie inzwischen als Lauftrainerin und Coachin für zyklusbasiertes Training arbeitet, eine Weiterbildung zur Integralen Frauengesundheit macht und einen eigenen Laufclub gegründet hat: den Fierce Run Force e.V. Steffis großes Ziel: “Wissenslücken schließen und die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Menstruierenden und biologisch weiblich definierten Personen im Sport verbessern”. Beim Interview in Berlin hat mir Steffi ihr Anliegen genauer erklärt:
Liebe Steffi, Du hast nach Deiner Verletzung im Austausch mit anderen Läuferinnen festgestellt, dass viele Frauen unter ähnlichen Problemen leiden, aber Krankheitsbilder wie Deines trotzdem weitestgehend unbekannt sind. Wie kann das sein?
Ein klassischer Fall von Gender Health Gap: In der Medizin wird immer erst einmal vom männlichen Körper als Standard ausgegangen. Das heißt, Krankheitsbilder, die tendenziell eher Frauen betreffen, sind oft einfach nicht so gut erforscht. Und zweitens geht es im Gesundheitssystem noch viel zu oft um Nachsorge statt Prävention. Dabei könnten Verletzungen wie meine durch eine bessere Aufklärungsarbeit leicht vermieden werden. Dafür setze ich mich seit bald mehr als fünf Jahren ein und möchte mit meiner Arbeit und meinem Engagement Veränderung schaffen.
Du trainierst in deiner Fierce Run Force inzwischen Hobbysportlerinnen aller Levels. Warum ist es selbst für die wichtig, sich mit ihrem Zyklus auseinanderzusetzen?
Ehrgeiz bedeutet nicht, auf Teufel komm raus jedes Training durchzuziehen, ständig nach höher, schneller, weiter zu streben. Diese Mentalität kann nämlich selbst im ambitionierten Hobbysport gefährlich werden - und dass die Gesundheit auf der Strecke bleibt, merkt man im stressigen Alltag meist erst, wenn schon viel im Argen ist, die Menstruation ausbleibt und das Immunsystem so geschwächt ist, dass man sich von einem Infekt zum nächsten schleppt.
Leistungsfähig zu sein, bedeutet, gesund zu sein. Wer den Sport ernsthaft priorisiert im Leben und sinnvolle Trainingsentscheidungen treffen will, muss Pausen einlegen, aktiv an der Regeneration arbeiten, genug essen und eben den Zyklus kennen. Die Leistungssteigerung stellt sich von allein ein, wenn der Körper in Balance ist – nicht dann, wenn frau dauernd ans Limit und darüber hinaus geht. Deshalb rate ich auch allen, die auf einen Marathon trainieren wollen, sich ernsthaft zu fragen, ob ein so intensives Training gerade in den Lebensentwurf passt.
Was heißt zyklusorientiertes Training genau – sollen Menstruierende sich während der Periode “einfach schonen”?Nein, das kann man so pauschal nicht sagen. Während der Periode können wir potenziell auch persönliche Bestleistungen vollbringen. Ich möchte nur zum Umdenken ermutigen: Wenn man sich während der Tage so mies fühlt, dass gar kein Sport in Frage kommt, dann ist “ab aufs Sofa” nicht die Lösung; die Aufgabe ist vielmehr, herauszufinden, warum die Periode zum Beispiel sehr stark ist oder weshalb man Schmerzen hat. Und was man tun kann, um sich besser zu fühlen! Denn Schmerzen während der Menstruation sind nicht normal.
Welchen Rat gibst du allen Menstruierenden, die regelmäßig trainieren?
Den Eisprung tracken und Tagebuch über Faktoren wie Schlaf, Stress, Regeneration und gefühltes Befinden führen. Es kann sehr empowernd sein, den eigenen Körper dadurch besser kennenzulernen und ihn besser lesen zu können. Bei Unregelmäßigkeiten im Zyklus unbedingt ärztlich beraten lassen (in solchen Fällen stehe ich auch mit meiner Beratung zur Verfügung). Das Essverhalten beobachten, um gerade in der zweiten Zyklushälfte, in der sich der Körper auf eine potenzielle Schwangerschaft vorbereitet und somit einen höheren Energiebedarf hat, nicht versehentlich in ein Kaloriendefizit zu rutschen. Und, das ist am wichtigsten: den Druck rausnehmen! Weder im Leistungs- noch im Hobbysport haben Überlastungsverletzungen etwas zu suchen.
Sechs Links für alle, die schon länger "mal wieder Sport machen" wollten
📚 Müssen Frauen müssen anders trainieren als Männer? Das sagt die Forschung: Sportwissenschaftlerin Frances Maria Weber erklärt in ihrem neuen Buch “Eine Frage der Phase” die Studienlage in dieser Frage und gibt nützliche Tipps.
🎧 Tust du dir noch was Gutes oder bist du schon in die Selbstoptimierungsfalle getappt? Kulturautorin Anne Helen Petersen (Newsletter “Culture Study”) spricht im Podcast “Material Girls” über den Zusammenhang von Athleisure und dem ewigen Streben nach einem “perfekten” Leben.
📺 “You can have it all” im Leistungssport? Leonie Meyer ist Profi-Kitesurferin und Mutter – und versucht, allen Lebensbereichen gerecht zu werden, ohne ihre Träume aufzugeben. Einfühlsame Doku über ein ewiges Dilemma (nicht nur im Sport…) aus der Sportschau-Reihe “Generation F”.
📨 Ansichten eines Ex-Tennisprofis: Der Newsletter “Finite Jest” von Andrea Petkovic ist was für Nerds, die auf Behind-the-Scenes-Anekdoten aus der Sport-High-Society stehen, aber super geschrieben (wie übrigens auch die Bücher von Petkovic über ihre Karriere).
📰 Warum sind in Outdoor-Sportarten so wenig schwarze Athlet:innen vertreten? Kürzlich habe ich Euch schon diesen persönlichen Artikel von Fatima Nyoja über mangelnde Diversität in der Outdoorszene ans Herz gelegt (einer der meistgeklickten Links der betreffenden Newsletter-Ausgabe!); ich habe anschließend noch ein bisschen weitergelesen zu dem Thema und bin auf diesen Text über die Gründe dafür gestoßen. Spoiler: Die reichen bis zurück in die Sklavenzeit…
🎧Von Fitnessstudio-Ängsten bis Körperbild: In ihrem Podcast “Was dich bewegt” sprechen Fitnesstrainer Arlow Pieniak und Systemischer Coach Inken Ross (kennt Ihr aus diesem Interview bei Sunday Delight) über sämtliche Fragen, die im Hobbysportler-Leben auftauchen können. Informativ und unterhaltsam, Inken und Arlow sind nämlich verheiratet und seeehr unterschiedlich 🙂
Gast-Shoppingkolumne von Fair-Fashion-Expertin Janine Dudenhöffer über nachhaltige Active Wear
Foto: Gooden Sportswear
Auf meine Kolumne über Reformer-Pilates von vor ein paar Wochen antwortete mir Fair-Fashion-Expertin und SUNDAY DELIGHT-Leserin Janine Dudenhöffer mit einer entsetzten Whatsapp-Nachricht: “Julia, hab gerade den Newsletter verschlungen, bin bei der Yogapants hängen geblieben, die du erwähnst. Wenn du Leggings suchst, nimm bitte keine aus 100 Prozent Plastik, der Abrieb geht als Mikroplastik in die Haut! Vlt. kannst du darüber mal was schreiben?”
Nun kennt sich Janine viel besser mit der Thematik aus als ich.
Deshalb überlasse ich ihr diese Woche die Shopping- aka. Aufklärungskolumne über die Polyesterproblematik von Performance Wear – inkl. vernünftigeren Shopping-Empfehlungen.
Bist du eine Poly-Schwester? Polyester ist leicht, knitterfrei und trocknet schnell. Polyteile lassen sich meist problemlos zwischen 30 und 40 Grad reinigen. Genial, wenn man viel sportelt, oder? Stopp: Wir müssen über Polys sprechen. Polyesterfasern werden aus Erdöl gewonnen. Die Materialeigenschaften können zu Hautirritationen führen. Es gibt Bestandteile in Sportswear, die so krasse Nebenwirkungen haben, dass es dafür einen extra Beipackzettel bräuchte. Denn diese Bestandteile können etwas, das wir uns von Kleidung oft wünschen, von umweltschädlichen Substanzen aber nicht.
Sie halten für die Ewigkeit. Die Rede ist von: Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS, hier hat die EU inzwischen ein Verbot beschlossen); Polytetrafluorethylen (PTFE), besser bekannt als Teflon; und Polyester (PET, PES, PU). You can call it PLASTIK: Hier im weiteren Polys genannt, was viel zu niedlich klingt für Substanzen straight from hell. Kleiner Tipp: Googelt einfach mal nach Lululemon und PFAS…
Wie konnte es soweit kommen? Als die ersten chemischen Poly-Fasern in den 50er Jahren Einzug in unsere Kleidung erhielten, waren es vor allem die vorteilhaften Eigenschaften (siehe oben) von chemischen Verbindungen, die überzeugten. Und für die Produzenten die große Marge, die winkte. Little did we know: Wenn Begriffe wie "fleckgeschützt", "wasserabweisend", als Membran in Outdoorkleidung und Wanderschuhen, verwendet wurden, dann sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Polyfluoralkylsubstanzen enthalten.
Heute wissen wir, dass Poly-Verbindungen aus Erdöl produziert werden.
Wir wissen, dass sie beim Tragen und Waschen Mikroplastikpartikel absondern, die schließlich in unseren Körpern landen. Was bisher nur von einem kleinen Teil der Polys bekannt ist: welche gesundheitlichen Schäden sie bewirken können. Studien an größeren Bevölkerungsgruppen weisen darauf hin, dass bestimmte chemische Verbindungen die Leber, das Hormon- und Immunsystem schädigen und den Fettstoffwechsel stören, die Fruchtbarkeit verringern oder sogar für eine erhöhte Krebsgefährdung sorgen können.
Zum Glück bahnt sich langsam ein Umdenken in der Active-Wear-Branche an. Wie so oft sind es viele coole, kleine Brands, die mit innovativen und plastikfreien Fasern arbeiten. Hier ein paar Empfehlungen:
@gooden.sportswear (s. Foto oben): Zeitlose Sportswear aus haut-und umweltfreundlichen, pflanzenbasierten Algenfasern und Tencel (mehr dazu hier). Gründerin Jasmin Daouiji hat gerade die zweite Crowdfunding-Runde erfolgreich abgeschlossen und produziert den nächsten Produktionsdrop in Portugal – Glückwunsch!
@boochenstudio: Yoga-und Schwimmbekleidung mit modischem Anspruch.
@ohohom_ethicalsportswear: Entspannte Yoga-Bekleidung aus Hamburg.
@vidarsport: Sportlich ambitionierte Performance-Wear (cool: der Windbreaker aus Tencel!) Mit dem umfassenden Nachhaltigkeitskonzept war Vidar Sport 2024 sogar für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Sport nominiert.
@nicetomeetme.at: Brand aus Österreich mit cleverem Recycling-Konzept. Und einer größeren Auswahl an Sport-BHs!
@wellicious: Nach eigenen Angaben die weltweit erste zertifizierte “Cradle-to-Cradle”-Marke für Sportswear. Heißt stark verkürzt: Die Yogapants kann, weil biologisch abbaubar, in einer optimalen biologischen Kreislaufwirtschaft mehrfach und ohne Energie-/Qualitätsverlust weiterverarbeitet werden.
xxx, Janine
Falls Ihr Tipps für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode gut gebrauchen könnt, ohne den Spaß daran zu verlieren, folgt Janine gern auf Instagram. Dort zeigt die Stylistin “Wege raus aus der Fast Fashion- und der Konsum-Verrücktheit”, wie sie sagt; zum Beispiel, in dem sie neue Verwendungsmöglichkeiten für vergessene Schrankschätze findet oder wie in dieser Kolumne nachhaltige Empfehlungen für Neuanschaffungen gibt.
Ihr könntet einen “Sustainable Stylist” für zu Hause gebrauchen? Dann könnt Ihr hier einen Online-oder Vor-Ort-Beratungstermin mit Janine und ihrem Team vereinbaren.
Ich hoffe, Dir hat diese Ausgabe von Sunday Delight Spaß gemacht!
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